Frage

Sieht die Bundesregierung den über EU-Schulden fremdfinanzierten NGEU (Wiederaufbaufonds NextGenerationEU) als das geeignete Instrument an, um EU respektive Euro-Ländern, die den Zugang zu den Kapitalmärkten verloren haben oder denen dies droht, die „notwendige“ Finanzhilfe zukommen zu lassen, bzw. wäre der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) nach Auffassung der Bundesregierung handlungsfähig, auch wenn sich die ESM-Gouverneure – aufgrund des Umstandes, dass die sich abwechselnden italienischen Regierungen „das im ESM gültige Prinzip infrage stellen, dass Kredite an einen Eurostaat nur gegen Auflagen in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik vergeben werden“ (www.faz.net/aktuell/wirtschaf t/italien-stellt-esm-infrage-nachfolge-fuer-krisenf onds-chef-ungeklaert-18352262.html) – auf keinen Nachfolger für den ESM-Chef Klaus Regling einigen können und die Möglichkeit, dass er über das Ende seiner Amtszeit hinaus geschäftsführend im Amt bleibt, durch den ESM-Vertrag ausgeschlossen ist?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Florian Toncar vom 11. Oktober 2022

Die Aufgabe des temporären Aufbauinstruments „Next Generation EU“ (NGEU) ist es, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19- Pandemie zu adressieren und im Zuge dessen langfristig das Wachstumspotenzial sowie die Widerstandsfähigkeit der EU-Volkswirtschaften zu stärken, wodurch das Risiko einer Verlängerung oder eines Wiederkehrens der Krise verringert wird. Es ist kein Instrument, um den Zugang zum Kapitalmarkt wiederherzustellen. Der ESM stellt einen wesentlichen Pfeiler der Stabilitätsarchitektur der Währungsunion dar. Gerät ein Mitgliedstaat der Währungsunion in eine wirtschaftliche und finanzpolitische Notlage, kann dies Ansteckungsgefahren für die ganze Eurozone in sich bergen. Der ESM kann Stabilitätshilfen leisten, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsraums und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist (Artikel 3, Artikel 12 ESM-Vertrag, Artikel 136 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV). Die Hilfe wird nur unter strengen Auflagen zur Wahrung des Anreizes zu solider Haushaltsführung gewährt, auch um sicherzustellen, dass die betreffenden Länder sich durch Strukturreformen und Konsolidierungsmaßnahmen wieder am Markt selbst refinanzieren können und damit auch zu einer Rückzahlung der ESM-Kredite in der Lage sind. Der Erfolg der abgeschlossenen ESM/EFSF-Programme demonstriert, dass der ESM ein wirksames letztes Mittel zur Abwehr einer Destabilisierung der Währungsunion ist.

Am 6. Oktober 2022 hat der ESM-Gouverneursrat Christophe Frankel, der bislang das Amt des stellvertretenden Geschäftsführenden Direktors des ESM ausübte, für eine Übergangszeit bis zur Neuwahl eines geeigneten Nachfolgers von Klaus Regling, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2022 zum Geschäftsführenden Direktor des ESM bestellt. Der ESM bleibt damit auch in dieser Übergangsphase handlungs- und funktionsfähig.