Sehr geehrter Herr Neuerer,
mit Interesse aber auch großer Verwunderung habe ich ihren Artikel zu einer angeblich weiteren Radikalisierung der AfD und einer Art von Konzeptlosigkeit gelesen.
Zunächst möchte ich mich mit ihrem Vorwurf der Radikalisierung befassen. Auch weiß ich, dass diese Antwort oder dieser Versuch, mit dem Handelsblatt in eine vernünftige Arbeitsbeziehung zu gelangen, am Ende des Tages weder veröffentlicht wird und wahrscheinlich auch in der Rundablage landet.
Zum Sachverhalt: Die AfD schließt seit Monaten konsequent Mitglieder aus, die nachweislich den Boden der FDGO verlassen oder verlassen haben.
Dazu gehört aber auch, dass Gesetze, wie das Parteirecht und Vereinsrecht, zu beachten sind. Hier sei die Causa Kalbitz aber auch die Causa Pasemann genannt.
Der aktuelle Fall beschreibt diesen Willen meiner Fraktion mehr als deutlich. Wir haben sofort und unmissverständlich Herr Lüth fristlos gekündigt. Auch war Herr Lüth bereits seit mehreren Jahren kein Parteimitglied mehr und von seiner Tätigkeit freigestellt. Hier also eine Radikalisierung ableiten zu wollen, halte ich für einen schlechten journalistischen Stil.
Der letzte Absatz hat mich als Jahrzehnte langer Leser ihrer Zeitung dann allerdings schon sehr getroffen und mehr als enttäuscht. Sie werfen der AfD und damit auch mir vor, keine Konzepte und Antworten zu liefern. Hier muss ich dann wirklich am fairen Umgang zweifeln.
Bereits vor zwei Jahren, noch vor der FDP, brachte ich den „Tarif auf Rädern“ in die Haushaltsdebatte ein. Er soll die kalte Progression mittels eines formelgestützten Automatismusses vermeiden. Zur Anhörung konnte ich Herrn Warnecke vom Bund der Steuerzahler gewinnen – kein Wort davon in ihrer Zeitung.
Weit vor allen anderen stieß ich eine Debatte an, die Grundsteuer abzuschaffen und durch einen Hebesatz auf die Einkommensteuer für Kommunen zu ersetzen. Keine Erwähnung in ihrer Zeitung. Ich brachte einen Antrag in die Debatte ein, Pauschalbeträge auch einer automatischen Dynamisierung zu unterziehen. Derzeit liegt ein Antrag von mir vor, das häusliche Arbeitszimmer wieder abzugsfähig zu machen, wie es bereits einmal Anfang der 2000er war. Dies ist besonders in Zeiten von Corona und dem daraus resultierenden „Homeoffice“ für viele bedeutender denn je. Die Mittelpunktsthoerie und der „Kern der Arbeit“ sind mittlerweile überholt.
Zum fairen demokratischen Diskurs gehört aber eben auch diese Seite der AfD zu erwähnen. Ein pauschales Urteil zur AfD, wie hier von ihnen geschrieben und die Nichterwähnung konstruktiver Anträge führen zur gesellschaftlichen und politischen Sprachlosigkeit. Ein Zustand, der nun wirklich nicht gewollt sein kann.
Trotz aller kritikwürdigen Vorgänge bitte ich im Sinne einer fairen, ausgewogenen und informativen Berichterstattung darum die AfD zu berücksichtigen. Diese faire Chance möchte ich gerne bei Ihnen einfordern.
Mit freundlichen Grüßen
Kay Gottschalk